11-03 - Friedensforum 2/2011 - Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn

Atomkraftwerke abschalten!

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F. Wagner

Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn wurde im Februar 2009 gegründet. Entstanden aus Antiatom-Motiven und der Idee, in Heilbronn einen Film über den Uranabbau vorzuführen (Uranium - is it a country?), bewegte uns von Anfang an auch der konkrete Einsatz in Richtung Klimaschutz und 100% Erneuerbare Energien. Deshalb unser Name "Aktionsbündnis Energiewende". Am Aktionsbündnis nehmen regionale Umweltverbände, mehrere Parteien, einige Kirchengemeinden sowie eine Reihe von Privatpersonen teil.

Heilbronn ist eine von Industrie, Salzbergbau und Weinbau geprägte Großstadt am mittleren Neckar, das EnBW-Kohlekraftwerk (zweitgrößter CO2-Emittent Baden-Württembergs) dominiert die Stadtsilhouette, verkehrsstarke Autobahnen berühren die Stadt. Im Norden grenzt Heilbronn an den Autoproduktionsstandort (und Solarpionier) Neckarsulm, im Süden sind es nur 7 km bis zu den beiden Atomreaktoren in Neckarwestheim und dem dortigen Atommülllager. Nicht viel weiter ist es im Nordwesten bis zum stillgelegten Atomkraftwerk Obrigheim mit seinem problematischen Rückbau. Mehrmals fuhren schon Castortransporte durch Heilbronn. Im 30-km-Radius um Neckarwestheim leben über eine Million Menschen, ein großer Teil von Stuttgart liegt in dieser Zone.

Bis 2002 war Heilbronn über eine Beteiligung am Stromversorger ZEAG AG Mitbesitzer der Atomkraftwerke in Neckarwestheim und bezog eine hohe Dividende. Heute sitzt der Oberbürgermeister noch immer im Aufsichtsrat der EnBW-Tochter ZEAG und betreibt derzeit einen 10%igen Aktienrückkauf.

Auch Atomraketen gab es jahrelang in Heilbronn: In den 80er Jahren waren Pershing II-Atomraketen hier stationiert und machten Heilbronn zum atomaren Erstschlagsziel. Bekannt wurden die auch von der Stadt verleugneten Raketen, als 1986 der Tank einer Atomrakete explodierte und drei Soldaten starben.

In dieser Stadt, in der jahrelang viele Menschen beim Thema Atom abgestumpft, befangen oder resigniert waren, gibt es nun durch unser Bündnis wieder eine lokal und überregional aktive Antiatom-Bewegung, und es gibt spannende Entwicklungen in der Kommunalpolitik. Vor der Kommunalwahl 2009 brachten wir durch eine Podiumsdiskussion Vertreter fast aller Gemeinderatsfraktionen dazu, sich pro Klimaschutz zu positionieren. Eineinhalb Jahre und viel Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit später gab es kürzlich einen fast einstimmigen Gemeinderatsbeschluss, der das städtische Klimaschutzkonzept für unzureichend erklärt und in 13 konkreten Forderungen Verbesserungen beauftragt. Bei der vorausgegangenen Erarbeitung des Klimaschutzkonzeptes war viel mit den Energieversorgern gesprochen worden, als Öffentlichkeitsbeteiligung gab es dagegen nur zwei Alibiveranstaltungen, bei denen unser Bündnis nicht zugelassen war. Auch bescheiden geplante Solarprojekte möchte die Stadt lieber mit der ZEAG AG, die bisher vor allem mit einem besonders hohen Atomstromanteil von fast 70% auffällt, umsetzen als mit der von uns gegründeten Bürgerenergiegenossenschaft EnerGeno.

Nun gibt es zwei neue Baustellen: die anstehende Neuvergabe der Stromkonzession Ende 2013 und der schon erwähnte Aktienrückkauf. Beides ist zwischen Oberbürgermeister und EnBW/ZEAG schon abgesprochen. Man will jetzt vorzeitig die Konzessionsvergabe auf den Weg bringen und sobald dort die Weichen gestellt sind, soll die Stadt wieder 10% der ZEAG-Aktien bekommen und dafür im Tausch weitere ca. 25% der städtischen Gasgesellschaft an die EnBW abgeben, welche dort bereits heute mit 25% beteiligt ist. Man nennt das "die Stärkung des Energiestandortes Heilbronn" und stellt es sogar als eine Rekommunalisierung dar. Aus unserer Sicht handelt es sich eher um einen Ausverkauf, bei dem die Stadt auch den letzten Verhandlungsspielraum bei den Konzessionsverhandlungen aufgibt, statt diese aktiv zu nutzen für einen nachhaltigen Umbau der Stromversorgung. Vorschläge dazu gibt es, nicht zuletzt von uns anlässlich des Klimaschutzkonzeptes entwickelt. Eine echte Rekommunalisierung wäre bei einer Stadt in der Größe von Heilbronn möglich in Form einer Übernahme des Stromnetzes durch die Stadtwerke. Die sind in Heilbronn bisher nur für Wasser, Nahverkehr und Schwimmbäder zuständig, aber nicht für die Energie. Das ließe sich ändern, und Heilbronn könnte sich in der Daseinsfürsorge und der Entwicklung einer ökologischen und sozialen Zukunft wieder eigene Gestaltungsspielräume eröffnen, statt die Abhängigkeit von Tagesentscheidungen des EnBW-Vorstandes zu vergrößern.

Seit eineinhalb Jahren machen wir uns kundig im Themengebiet rund um die Stromkonzession und gehen damit in die Öffentlichkeit. Seit Bekanntwerden erster Informationen zum Aktientausch stellen wir diesen öffentlich in Frage. Erschwert ist die Diskussion leider durch personelle Verflechtungen zwischen den Stromkonzernen und einzelnen Gemeinderäten, so dass sicher auch persönliche Interessen berührt sind. Dennoch hoffen wir, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten noch entscheidende Impulse setzen und die von der Stadt eingeschlagene Richtung wenden können. Dazu bauen wir auf unsere Kontakte in den Gemeinderat, aber auch auf das gute Ansehen, das wir uns inzwischen in der Öffentlichkeit erworben haben.

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03/2011 - Friedensforum 2/2011 - Franz Wagner