11-04-26 - Hst - Politik - Auftrieb für Ostermärsche

Proteste - Atomkraftthema vermischt sich mit Friedensbewegung

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Von Ulrich Steinkohl

Vielleicht lag es einfach am fantastischen Osterwetter. Sonnenschein und Temperaturen bis 25 Grad lockten sicher manchen an den Badesee - statt auf die Straße, um dirt für Frieden und Abrüstung zu demonstrieren. Jedenfalls liefen die Ostermärsche 2011 manscherorts nur schleppend an. In Frankfurt (Oder) zogen am Sonntag 60 Menschen durch die Stadt, in Köln demonstrierten gut 100 Motorradfahrer. Am meisten los war in Berlin, wo die Veranstalter am Karfreitag 4000 Teilnehmer zählten, die Polizei allerdings nur 1500.

Doch dann kam der Ostermontag und mit ihm an zahlreichen deutschen Atomstandorten der Protest von Tausenden Kernkraftgegnern anlässlich des Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren. Der Kampf gegen die zivile Nutzung der Atomenergie hat zwar an sich nichts mit dem Protest gegen Atom- und konventionelle Waffen zu tun. Beides verknüpfte sich in diesem Jahr aber untrennbar miteinander. Friedensbewegung und Anti-Atom-Bewegung übten den Schulterschluss.

Rückläufig In Berlin etwa forderten Demonstranten auf Plakaten gleichermaßen "Die Sonne soll strahlen, nicht wir" und "Zivilisten vor der Nato schützen". Ersteres galt dem Risiko eines Unfalls auch in einem deutschen Atommeiler nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima. Letzteres richtete sich gegen den Nato-Einsatz in Libyen. "Tschernobyl - Fukushima - Fessenheim?" war auf einem Spruchband zu lesen, als am Montagmittag Atomkraftgegner über die Rheinbrücke zwischen Breisach in Baden-Württemberg und Neuf Brisach im Elsaß zogen, um gegen den Meiler im elsässischen Fessenheim zu protestieren. Allein hier zählte die Polizei rund 3500 Teilnehmer.

Die Beteiligung an Ostermärschen ist seit Jahren rückläufig. Ihre Zeit sei vorbei, diagnostizierte der Politikwissenschaftler Florian Hartleb von der Uni Chemnitz vor zwei Jahren. "Das apokalyptische Szenario fehlt", so seine Begründung. Die Organisatoren sehen das naturgemäß anders und überraschen in jedem Jahr mit kaum prüfbaren Teilnehmerzahlen. Auch diesmal fiel die Bilanz positiv aus. "Verglichen mit 2010 verbuchten die meisten Ostermärsche eine Zunahme an Demonstranten, nur in wenigen Städten stagnierte die Zahl, nirgends gab es einen Rückgang", teilte der Bundesausschuss Friedensratschlag schon Montagmorgen mit, also bevor es an den Atomstandorten überhaupt losging. Das Netzwerk Friedenskooperative sprach etwas unkonkret von "mehreren zehntausend Menschen".

Hintergrund

Tradition

Ihre Wurzeln haben die Ostermärsche im Protest gegen das atomare Wettrüsten im Kalten Krieg. In Deutschland erlebten sie 1968 und 1983 ihre Höhepunkte mit Hunderttausenden Demonstranten. Begonnen hatte die Tradition Ende der 50er Jahre in Großbritannien. Zum ersten Ostermarsch in der Bundesrepublik kamen 1960 etwa 1000 Menschen. Der Golfkrieg 1991 und der, Kosovo-Krieg 1999 brachten später neue Höhepunkte. dpa

Bildunterschrift: Schulterschluss mit der Friedensbewegung. Wie hier im westfälischen Gronau nutzten Atomkraftgegner die Tradition des Ostermarsches. Foto: dpa

26.04.2011 - Heilbronner Stimme - Politik - Ulrich Steinkohl