13-11-04 - neues deutschland - 7,25 Milliarden Becquerel

Im baden-württembergischen Atomkraftwerk Neckarwestheim 2 kam es Ende Oktober zu mehreren Störfällen - die ausgestoßene Radioaktivität stieg massiv an. Betreiber EnBW schweigt.

Das AKW Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg hat in den vergangenen Tagen viel mehr Radioaktivität ausgestoßen als üblich. Grund ist offenbar ein defektes Brennelement. Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn bemängelt »Intransparenz« beim Betreiber EnBW und fordert die sofortige Stilllegung des Meilers.

Nach Angaben der Umweltschützer, die sich auf Zahlen aus dem Umweltministerium in Stuttgart beriefen, lag die über den Abluftkamin ausgestoßene Radioaktivität teils 23 Mal so hoch wie im Durchschnitt. Block 2 emittiert üblicherweise pro Stunde Edelgase mit einer Aktivität von ca. 310 Millionen Becquerel. Bei den jährlichen Revisionen, wenn ein Drittel der Brennelemente ausgetauscht und der Druckbehälter geöffnet wird, verdoppelt sich der Wert.

Am 26. Oktober stiegen die Werte dagegen auf das Vierfache, am 27. Oktober sogar auf das 23-Fache, nämlich auf bis zu 7,244 Milliarden Becquerel pro Stunde. Inzwischen hätten sie sich wieder auf den Normalstand eingependelt, so das Aktionsbündnis.

Das Atomrecht erlaubt den AKW-Betreibern, radioaktive Gase, Feinstäube und Partikel in die Luft zu blasen. Bürgerinitiativen kritisieren schon länger, dass die Grenzwerte viel zu hoch angesetzt sind. »Selbst die massive Erhöhung insbesondere am 27. Oktober ist noch von den laschen Tages- und Jahresgrenzwerten gedeckt«, sagt Franz Wagner vom Bündnis, das davon ausgeht, dass die freigesetzten Stoffe für die erhöhte Kinderkrebsrate in der Umgebung deutscher AKW verantwortlich sind.

Der Verdacht, dass ein kaputtes Brennelement den Anstieg der Radioaktivität verursachte, stammt vom Betreiber selbst. Neckarwestheim 2 war nach der Jahresrevision am 12. Oktober wieder hochgefahren worden. Am 23. Oktober gab EnBW bekannt, dass das AKW zwei Tage später erneut abgefahren werden solle. Grund für den »vorsorglichen Schritt« sei, dass Messungen auf einen Brennelementdefekt hindeuteten.

Einen Tag später meldete das Unternehmen einen weiteren Störfall: Bei Prüfungen sei festgestellt worden, dass die revisionsbedingt vorgenommene Arretierung für eine Armatur nicht aufgehoben worden sei. Die Armatur gehört zu einem System, mit dem im Bedarfsfall Wasser in den Kühlkreislauf eingespeist werden kann. Seitdem hat sich EnBW nicht mehr geäußert - auch zu den erhöhten Radioaktivitätswerten gab es keinen Kommentar.

04.11.2013 - neues deutschland - Politik - Wirtschaft und Umwelt - Reimar Paul