14-11-28 - Hst - Hintergrund - Das Freihandelsabkommen: Fluch oder Segen?

VERHANDLUNGEN Europäische Union möchte Handelshemmnisse mit den USA abbauen und verhandelt über TTIP

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht sich Sorgen: „Wenn wir nicht abgehängt werden wollen von den Wachstumsmärkten, dann muss Europa sich sputen“, sagte sie in dieser Woche auf einer Konferenz Europäischer Familienunternehmer. Dabei warb sie auch für das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA. Es würde die wirtschaftlichen Aussichten des Kontinents verbessern, die Chancen überwögen die Risiken.

Doch das sehen nicht alle so. Vor allem Nichtregierungsorganisationen, Verbraucher- und Umweltschützer protestieren gegen den Vertrag, mobilisieren Millionen Bürger, sich an Petitionen zu beteiligen. Zu groß sei die Gefahr, dass europäische Rechtsstandards in den Verhandlungen gesenkt werden. Außerdem sollen Unternehmen vor intransparenten Schiedsgerichten gegen politische Entscheidungen klagen können, wenn sie ihre Investitionen bedroht sehen.

Wir haben zwei Parteien und zwei Verbände aus dem Südwesten um ihre Meinung zu TTIP gebeten. jab

Fatal für Umweltschutzstandards

Mit den geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) bzw. Kanada (CETA) sollen vor allem sogenannte nicht-tarifäre „Handelshemmnisse“ wie Umwelt- und Verbraucherschutzstandards beseitigt bzw. angeglichen werden. Besonders fatal ist der sogenannte Investorenschutz, der Investoren vor strengeren Verbraucher- und Umweltschutzstandards bewahren soll.

TTIP steht für die Interessen von großen, global agierenden Konzernen und ist unverträglich mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Die Verhandlungen müssen deshalb gestoppt werden. Das CETA-Abkommen mit Kanada darf nicht ratifiziert werden.

i Sylvia Pilarsky-Grosch Geschäftsführerin des Bunds für Umwelt und Naturschutz (Bund) Baden-Württemberg

Chance für wirtschaftlichen Austausch

Die USA sind traditionell ein Top-Handelspartner Baden-Württembergs und wichtigster Absatzmarkt für hiesige Unternehmen. Diesen wirtschaftlichen Austausch durch einheitliche Standards zu vereinfachen und damit weiter auszubauen, ist die große Chance von TTIP. Aktuell wird viel über die Inhalte der Verhandlungen des Abkommens diskutiert, welches immer noch scheitern kann. Im Interesse unserer Wirtschaft spreche ich mich klar für eine konstruktive Fortführung der Gespräche aus. Die Perspektive, sie zügig zum Abschluss zu bringen, müssen wir einfach nutzen und dürfen diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, zumal unsere Standards dadurch nicht gesenkt, sondern harmonisiert werden sollen.

i Peter Kulitz Präsident des Industrie- und Handelskammertags Baden-Württemberg

An die Interessen der Verbraucher denken

Freihandel und fairer Wettbewerb können Wohlstand und Klimaschutz voranbringen. Auch TTIP birgt Potenziale. Allerdings: Wir Grünen werden keinem Abkommen zustimmen, das europäische Standards untergraben will. Wir sagen Nein zu Chlorhühnchen und Fracking.
Diese Richtung aber wurde eingeschlagen. Unsere ökologischen und sozialen Standards sind ein hohes Gut – für sie werden wir weiter kämpfen. Kritisch sehen wir die Schiedsgerichte: Wir brauchen keine Paralleljustiz, die internationale Konzerne privilegiert. Wir fordern endlich transparente Verhandlungen, in denen nicht nur die Interessen der Industrie, sondern auch der Arbeitnehmer und Verbraucher berücksichtigt werden – für eine nachhaltige Ökonomie der Zukunft.

i Thekla Walker Landesvorsitzende der Grünen

Existenziell auf Freihandel angewiesen

Der Abbau vonZöllen und Handelsschranken fördert Wachstum und schafft Arbeitsplätze. Daher setzt sich die FDP für den Freihandel ein.

Gerade ein exportstarkes Land wie Baden-Württemberg und Deutschland profitiert nicht nur vom Freihandel, sondern ist existentiell darauf angewiesen. Ohne Freihandel gäbe es bei uns weder Bananen noch iPhones. Auch wertvolle Rohstoffe wie Seltene Erden führen wir ein. Die gegenseitige Anerkennung von Standards im Rahmen von TTIP würde vielen unserer mittelständischen Unternehmen den Zugang zum amerikanischen Markt erleichtern. Klar ist, dass Verbraucher- und Umweltschutzstandards nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen.

i Michael Theurer Landesvorsitzender der FDP

28.11.2014 - Heiblronner Stimme - Hintergrund