Atomregion Heilbronn – auch unter Tage

erstellt am: 26.01.2012 • von: Franz • Kategorie(n): Anti-Atom, Atommüll & Castor, Lokalpolitik

Löcher stopfen mit radioaktivem Müll
Manuskript für die Pressekonferenz über den radioaktiven Müll in den Salzbergwerken Heilbronn und Bad-Friedrichshall-Kochendorf, 26.1.2012:

„Atomkraft ist ein Verbrechen an der Menschheit. Und wir sitzen in Heilbronn in einem der Brennpunkte.
Ich frage mich, warum muss man den Menschen hier, zusätzlich zu den vier dramatischen Atomgefahren in unmittelbarer Nähe, ohne Not und ohne ehrliche Diskussion eine 5. Atomgefahr hinzufügen? Ich persönlich sehe da auch eine Kontinuität zur traurigen Geschichte als Atombombenstandort.

Die Lagerung von riesigen Mengen radioaktiven Materials 200 m unter Heilbronn und Kochendorf ist vermutlich das kleinste unserer atomaren Probleme hier, aber möglicherweise das am Weitesten in die Zukunft reichende. Heilbronn ist nicht Gorleben oder Morsleben, ist nicht Asse oder Schacht Konrad. Aber beim Verharmlosen, Vertuschen und Beschimpfen der kritischen Öffentlichkeit, da gibt es durchaus Parallelen.Eine weitere Parallele ist: die Sicherheit eines Lagers hängt auch von der klaren und langfristigen Information darüber ab, was dort wie gelagert ist.

Im Heilbronner Fall besonders bitter finde ich, dass es bei den Kernschmelzabfällen von Siempelkamp um staatlich geförderte Vorarbeiten für AKW-Neubauten ging.

Da wir die atomaren Risiken sachlich und seriös beurteilen, können wir sehr gut unterscheiden zwischen den verschiedenen Formen der Bedrohung:

Ganz klar die größte Gefahr geht vom Weiterbetrieb des Blocks 2 in Neckarwestheim und vom Abklingbetrieb des Blocks 1 dort aus. Sekunden können da über die Vernichtung der ganzen Region entscheiden. Und jeder Tag Betrieb erhöht die Krebsbelastung der Region.

Die zweitgrößte Gefahr steckt im Rückbau des ebenfalls nahe gelegenen AKW Obrigheim, der unter laufendem Abklingbetrieb stattfindet.

Die dritte Gefahr liegt im Neckarwestheimer Castorlager, das nicht genügend gegen Erdbeben und Terrorangriffe geschützt ist und dessen zentrale Ablufteinrichtung, welche ständig den Abtransport mehrerer Megawatt Wärme gewährleisten muss, aus ungeeignetem Beton gebaut wurde.
Die Bedeutung des Castorlagers ist noch dramatisch höher zu bewerten, falls es doch länger als 40 Jahre betrieben wird und quasi zum Endlager würde.

Etwa gleichauf sehe ich die Gefahren aus dem kommenden Rückbau von Block 1 und dann auch Block 2 des GKN. Ein schadloser Rückbau ist nicht möglich. Ein AKW hinterlässt unglaubliche Mengen an strahlendem Müll aller Kategorien. Der Rückbau selbst, in meinen Augen ein jahrzehntelanges Improvisieren, kann vielfältig Radioaktivität in die Umwelt freisetzen, von der Strahlenbelastung der Arbeiter ganz abgesehen. Und dann stellt sich die Frage, wohin mit dem Müll. Für keine Kategorie gibt es ein sicheres Endlager. Je höher strahlend der Müll eingeschätzt wird, umso teurer wird die Lagerung. Und es geht um große Mengen. Durch den gleichzeitigen Abbau mehrerer AKWs plus weiterer Anlagen z.B. in Jülich entsteht nicht nur ein lukrativer Markt für Rückbaufirmen wie z.B. Siempelkamp und die bundeseigenen Energiewerke Nord, sondern es entsteht auch ein Konkurrenzkampf um Lagerkapazitäten. Damit droht auch ein weiterer Atommülltourismus national und international. Für Obrigheim gab es ja offensichtlich schon Sondierungen in Richtung Russland.

In diesem Markt haben sich die Heilbronner Salzwerke aufgestellt, mit dem Slogan „Diese Hohlräume stellen eine wertvolle Ressource dar“. Das bedeutet, man bietet sich denen an, die bereit sind viel Geld auszugeben, um etwas los zu werden. Je heikler das Material, desto höher der Preis. Wer in unfassbar großer Menge „freigemessenen“ Müll aus dem Rückbau einer Brennelementefabrik lagert, hat sicher auch die Versuchung, beim Rückbau der Atomkraftwerke wieder Geld einzunehmen. Und deshalb reicht mir persönlich die vage Absichtserklärung der Salzwerke nicht, dass man solches derzeit nicht plane. Hier fordere ich eine klare und wasserdichte Festlegung von Stadt Heilbronn und Land Baden-Württemberg.

Gerade die dreifache Rolle des Landes macht mir Sorgen, und dass die neue Landesregierung bezüglich Rückbau in Obrigheim gerade den traurigen Kurs der alten Regierung fortsetzt, lässt mir keine Ruhe.

Ich möchte es verdeutlichen:
Die Landesregierung ist über die EnBW maßgeblicher Akteur beim Rückbau in Obrigheim, Neckarwestheim und Philippsburg, sie muss also Müll loswerden.
Sie ist zugleich über die Salzwerke Anbieter entsprechender Lagerkapazität.
Und die Aufsicht über das Ganze liegt auch wieder bei ihr selbst.

Da ist auch Herr Staatsekretär Rust als Aufsichtsratsvorsitzender der Salzwerke gefordert.

Wohin das Rückbaumaterial der AKWs kommt, muss in einem transparenten Prozess diskutiert und entschieden werden. Freimessen und heimlich in einer Deponie verstecken kann keine Lösung für die schweren Probleme sein, die uns mit der Atomenergienutzung aufgeladen wurden.

Für mich gibt es nur eine Konsequenz aus des Gefahren der Atomkraft und aus den ungelösten Müllproblemen: Alle Atomanlagen müssen sofort stillgelegt werden, um nicht immer noch mehr Müll zu produzieren!


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