Photovoltaik-Ausstieg zwei Tage vor Fukushima-Jahrestag angekündigt

erstellt am: 23.02.2012 • von: Daniel • Kategorie(n): Energiewende, Klimaschutz, Photovoltaik, Politik

Rösler hat sich durchgesetzt und zum 9. März soll die PV-Einspeisevergütung um bis zu 30% massiv zusammengestrichen werden. Diese Einigung haben Bundeswirtschaftsminister Rösler und Bundesumweltminister Röttgen heute in Berlin bekannt gegeben. Damit überrtreffen die Minister noch die schlimmsten Befürchtungen und planen das Ende der Energiewende ausgerechnet für den 9. März: 2 Tage vor dem Fukushima-Jahrestag! (www.endlich-abschalten.de)  Heute fanden erste Proteste von Mitarbeitern bei Photovoltaik-Unternehmen statt (z.B. bei Kaco in Neckarsulm).

Die Kürzungs-Pläne im einzelnen findet man z.B. hier: photovoltaik-guide.de

Abgesehen von der Stärke der Kürzungen wurde heute auch jegliche Planungssicherheit erneut zerstört: Viele Projekte müssen jetzt gestoppt werden da sich Unternehmen und Privathaushalte auf eine Kürzung zum 1.4. eingestellt hatten. Jetzt sind sämtliche Kalkulationen Makulatur.

  • Eine Sammlung von Reaktionen von verschiedenen Seiten zu diesem Kahlschlag findet sich in diesem Artikel.

Wie extrem diese Kürzung ist zeigt diese Grafik:

Die Umweltverbände sind alarmiert – der NABU kritisiert:

Vollbremsung für die Energiewende
NABU kritisiert Einigung zu Solarförderung und Energieeffizienzrichtlinie

Der NABU verurteilt die heute von Wirtschafts- und Umweltministerium präsentierte Einigung zur Solarförderung und zur EU-Energieeffizienzrichtlinie aufs Schärfste. „Was die Minister Rösler und Röttgen ein ‚Modernisierungsprojekt‘ nennen, ist in Wahrheit eine Vollbremsung – und zwar sowohl für die Umsetzung der Energiewende als auch für wichtige Zukunftsmärkte“, kritisiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke. „Mit den Vorschlägen der beiden Bundesminister wird die Energiewende massiv erschwert, Zigtausende Arbeitsplätze in der Solarbranche gefährdet und Wachstumschancen für Energieeinspar-Dienstleistungen zunichte gemacht.“

Der NABU verurteilt die heute von Wirtschafts- und Umweltministerium präsentierte Einigung zur Solarförderung und zur EU-Energieeffizienzrichtlinie aufs Schärfste. „Was die Minister Rösler und Röttgen ein ‚Modernisierungsprojekt‘ nennen, ist in Wahrheit eine Vollbremsung – und zwar sowohl für die Umsetzung der Energiewende als auch für wichtige Zukunftsmärkte“, kritisiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke. „Mit den Vorschlägen der beiden Bundesminister wird die Energiewende massiv erschwert, Zigtausende Arbeitsplätze in der Solarbranche gefährdet und Wachstumschancen für Energieeinspar-Dienstleistungen zunichte gemacht.“

weiterlesen auf NABU.de

Der BUND stellt fest:

Rösler und Röttgen stehen Energiewende im Weg: Ausbau der Photovoltaik wird abgewürgt. Maßnahmen zum Energiesparen auf Eis gelegt

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in der heutigen energiepolitischen Einigung zwischen Bundeswirtschaftminister Philipp Rösler und Bundesumweltminister Norbert Röttgen einen gewaltigen Rückschritt für die Energiewende in Deutschland. „Das ist ein Riesen-Fiasko für eine zukunftsfähige Energieversorgung. Mit der Fotovoltaik droht ein wesentlicher Eckpfeiler der Energiewende abgewürgt zu werden. Gleichzeitig sind Rösler und Röttgen dafür verantwortlich, dass in Sachen Energieeffizienz und Senkung des Energieverbrauchs nichts voran geht. So scheitert die Energiewende“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Die deutsche Positionierung zur EU-Effizienzrichtlinie drohe die von EU-Kommissar Günther Oettinger vorgeschlagenen verbindlichen Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs zu Fall zu bringen. Sie setze auf windelweiche und auf EU-Ebene kaum durchsetzbare Ziele. „Am Ende würde das eine EU-Richtlinie ohne verbindliche Ziele und ohne verbindliche Maßnahmen bedeuten“, so Weiger.

weiterlesen auf BUND.net

Valentin Hollain, wiss. Leiter von EUROSOLAR, wird am 11. März in Neckarwestheim einer unserer Redner sein. In einer Pressemitteilung analysiert er die Hintergründe der abrupten Aktion:

Die Energiewende fällt aus

Keine andere Technologie hat es in so kurzer Zeit geschafft, ihre Kosten zu senken wie die Photovoltaik. Sie leistet inzwischen signifikante Beiträge zu unserer Stromversorgung – dezentral und verbrauchsnah. Sie ist somit ein unverzichtbarer Meilenstein einer dezentralen und schnellen Energiewende.

Jedes weitere Gigawatt, das in Deutschland zugebaut wird, führt nur noch zu unwesentlichen Mehrkosten und senkt gleichzeitig unsere Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern. „Wenn aber das Kostenargument gegen die Photovoltaik obsolet ist, so ist es doch eine andere Frage, ob es politisch gewollt ist, dass die Photovoltaik so rasch wächst, dass sie den Umbaupfad unserer Stromversorgung entscheidend mitbestimmt“, so Valentin Hollain, wiss. Leiter von EUROSOLAR.

Was sie zu leisten vermag, hat sie während der vergangenen Kälteperiode im Zusammenspiel mit der Windenergie unter Beweis gestellt, als sie mit dazu beitrug, die Stromnetze hierzulande zu stabilisieren und zusätzlich die Stromversorgung in Frankreich mit signifikanten Strommengen zu unterstützen. Bereits bei einem Anteil von 4 % an der deutschen Stromversorgung ist die Photovoltaik zu einer wichtigen Größe geworden, die mittägliche Lastspitzen abfedert und die Netze entlastet.

Aber wenn jetzt an sonnigen Februartagen mehr als 10 Gigawatt Solarstrom in den Mittagsstunden in das Stromnetz eingespeist werden, ist dies nur ein Vorgeschmack auf den Einfluss, den die in Deutschland installierten Module künftig nehmen werden: Einspeisungen oberhalb von 15 Gigawatt werden immer häufiger auftreten und somit den Strukturwandel zu einer dezentral geprägten Stromversorgung forcieren. Bei einem weiteren Wachstum der Photovoltaik würde sie perspektivisch auch die Marke von 25 Gigawatt überspringen. In einem solchen Strommix, in dem Sonne und Wind den Takt vorgeben, haben unflexible fossile Großkraftwerke keinen Platz mehr. Die Photovoltaik führt zwangsläufig zu einer Stromversorgung, die deutlich dezentraler geprägt ist als die heutige.

Dass die Bundesminister Röttgen und Rösler nun den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland abrupt zum Stillstand bringen wollen, hat daher ganz eindeutige Gründe. „Sie wissen ganz genau, dass jedes weitere Gigawatt Photovoltaik Tatsachen schafft. Deswegen warten sie nicht einmal mehr die Auswirkungen der bereits zum 1.1.2012 erfolgten deutlichen Vergütungskürzung um 15 % ab. So eilig hat man es, dass man gleich zum nächsten Schlag ausholt, um ganz sicher zu sein, dass die Photovoltaik diese Runde nicht mehr übersteht“, so Irm Scheer-Pontenagel, Geschäftsführerin von EUROSOLAR.

weiterlesen auf eurosolar.de

Die Hermann-Scheer-Stiftung sieht die Solarkürzungen als Ablenkungsmanöver um die Energiewende zusätzlich auch vorhersehbar an mangelnden Speichern und Netzen scheitern zu lassen:

Solarkürzungen als Ablenkungsmanöver

Mit der nun angekündigten abermaligen Kürzung der Solarstromvergütung um 30 % zum April zeigt die schwarz-gelbe Koalition abermals ihre wahren Absichten. Es geht nicht um die beschleunigte Energiewende; es geht nicht um die strukturelle Anpassung der Netze, damit Erneuerbare Energien nach dem Erfolgskonzept der letzten Jahren auf Grundlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, EEG, nach und nach die fossil-atomaren Kapazitäten ersetzen. Es geht vielmehr um Bestandssicherung und das Ausbremsen der Energiewende nach der Devise: „Der fossil-atomare Kraftwerkspark muss sich noch weiter lohnen“. Noch mehr Erneuerbare Energien als der bereits 21 %-Anteil im Stromnetz und „zu viel“ dezentral erzeugter Solarstrom bedeuten, dass die Netzbetreiber massiv in die Umrüstung der Netze investieren müssen. Die insoweit vorrangig in die Netze aufzunehmenden Erneuerbaren Energien bedeuten zudem, dass der fossil-atomare Großkraftwerkspark unrentabel wird. Insofern stehen die Zeichen auf Verzögerung und Deckelung regenerativer Energien.

Das EEG steht für Investitionssicherheit bei allen hiermit zusammenhängenden Wirtschaftszweigen und die fortzusetzende vorrangige Einspeisung erneuerbarer Energien. Seit längerer Zeit wird allerdings Strom aus regenerativen Energien abgeregelt, womit verfügbarer regenerativer Strom wegen Netzkapazitätsengpässen nicht genutzt werden kann. Dies gilt mit der letzten EEG-Novelle nun auch für Photovoltaikstrom von größeren als 30 KW-Anlagen, womit die Ohnmacht gegenüber den bevorstehenden netzstrukturellen Veränderungen sogar gesetzlich fixiert wurde. Insofern ist es dringend geboten, das EEG als Hebel für die Anwendung Erneuerbarer Energien und einen entsprechenden Netzstrukturwandel einzusetzen und um einen sogenannten Speicherbonus zu ergänzen. Ein solcher bietet Anreiz zur Entwicklung bzw. technologischen Optimierung von Speichern, deren Markteinführung und massenweisen Anwendung. Nur mit der Verwendung von Speichern wird der zukünftige Mix aus Erneuerbaren Energien mit den Netzkapazitäten in Einklang zu bringen sein.

weiterlesen auf Hermann-Scheer-Stiftung.de

Campact schreibt im Blog:

Energiewende? Nein Danke! – Röttgen und Rösler einigen sich

Gestern verkündeten Umweltminister Röttgen und Wirtschaftsminister Rösler, sie hätten sich bei der Energiewende geeinigt. Was die Minister dann heute im Rahmen einer Pressekonferenz zur Solarförderung und zur Energieeffizienz vorstellten, entspricht aber schlimmsten Befürchtungen.

weiterlesen auf blog.campact.de

Auch von anderer Seite kommt massive Kritik an den Plänen der Bundesregierung – so wird die IG Metall deutlich:

IG Metall kritisiert Kürzungspläne der Bundesregierung für die Solarstromförderung

Die IG Metall hat die Kürzungspläne der Bundesregierung bei der Solarstromförderung kritisiert. „Damit setzt die Bundesregierung die Arbeitsplätze in der Solarindustrie leichtfertig aufs Spiel. Es werden keine populistischen Maßnahmen benötigt, sondern ein Zukunftsdialog zwischen Politik, Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften für eine Industriepolitik, die auf die Stärkung von Produktionsstandorten und auf die Förderung von Forschung und Innovation setzt“, sagte Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, am Donnerstag in Frankfurt.

Erneute Absenkungen der Förderung und unausgegorene Modelle zur Deckelung des Zubaus schaffe vor allem Verunsicherung, aber keine echte Kostenentlastung „Es geht darum, Stabilität in der Förderung und eine Kostenentlastung der Stromkunden durch eine zügige Degression der Vergütungssätze zu erreichen, die durch den technischen Fortschritt bestimmt wird“, sagte Wetzel. Die Bundesregierung müsse ein Nothilfe-Programm für die Photovoltaikindustrie auflegen, das aus Bürgschaften und zinsgünstigen Darlehen bestehe. Eine Umstellung im Fördersystem oder eine Kürzung, die über die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schon für 2012 vorgesehenen rund 30 Prozent hinausgehe, sei kontraproduktiv. „Quasi über Nacht wird der deutsche Markt zusammenbrechen und Unternehmen und Arbeitsplätze massiv gefährden, wenn umgesetzt wird, was zwischen den Ministern Röttgen und Rösler verabredet worden ist“, sagte Wetzel. Bereits jetzt sei in vielen Betrieben Kurzarbeit an der Tagesordnung und bedeutende Unternehmen insolvenzgefährdet.

Die Bundesregierung sei schlecht beraten, sich zur Geisel einer auf fossile Großkraftwerke fixierten Lobby machen zu lassen, während gleichzeitig zehntausende Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche auf dem Spiel stünden. Durch eine wegweisende Förderung der Photovoltaik sei eine innovative Schlüsselindustrie mit mehr als 100.000 Arbeitsplätzen entstanden. „Diese Investition in die Zukunft des Industriestandortes Deutschland darf die Politik nicht aufs Spiel setzen, sondern muss jetzt die Energiewende zum Erhalt und zur Stärkung der Photovoltaik nutzen“, forderte Wetzel.

Quelle: IGMetall.de

Auf Tagesschau.de kommentiert Jürgen Döschner (WDR, ARD-Energieexperte):

Ein Ausstieg zum Vorteil der Energiekonzerne

Während sich alle Welt Gedanken macht, wie man den CO2-Ausstoß senken kann, wie der Klimawandel gestoppt und auf die gefährliche Atomenergie verzichtet werden kann, während immer mehr Länder mit Neid und Anerkennung auf das deutsche Modell zur Förderung erneuerbarer Energien schauen, machen sich die Minister Philipp Rösler und Norbert Röttgen daran, eben diese Erfolgsgeschichte zu demontieren.

Der jetzt vorgestellte rasante und radikale Umbau der Solarförderung ist de facto ein Ausstieg. Eine Kürzung von 20 bis 30 Prozent innerhalb von zwei Wochen trifft nicht nur jene Hausbesitzer und Investoren hart, die gerade eine Anlage installieren. Deren Kalkulation schmilzt nun wie Butter in der Sonne dahin. Die Anti-Solar-Koalition schlägt auch einer ganzen Branche ins Gesicht, die in den vergangenen Jahren einen enormen Beitrag zur Sicherung einer CO2-freien, dezentralen und preiswerten Energieversorgung geleistet hat.

[… – kompletten Kommentar auf tagesschau.de lesen]

Der Ausbau der Solarenergie wird dramatisch einbrechen. Das nützt weder den Stromkunden, die durch diese Entscheidung kaum auf niedrigere Preise hoffen können. Es hilft auch nicht dem Staat, aus dessen Kassen die Solarförderung ohnehin nicht bezahlt wird, und schon gar nicht dem Klima und der Umwelt.

Nein, die einzigen, die von dieser Entscheidung profitieren, sind RWE, E.ON, Vattenfall und Co.. Denn deren Großkraftwerke – ob mit Atom, Kohle oder Gas betrieben, verloren mit jeder neuen Solaranlage an Wert, weil das Gesetz über Erneuerbare Energien unter anderem vorschreibt, dass Wind- und Solarstrom Vorrang vor konventionellem Strom haben. Der Wertverfall und damit der Machtverlust der Energieriesen soll aufgehalten werden. Das ist wohl das eigentliche Motiv für Röslers und Röttgens „Energiewende rückwärts“. Aber zum Glück haben energiepolitische Entscheidungen der schwarz-gelben Regierung manchmal eine recht kurze Halbwertzeit.

Hans-Josef Fell, der EEG-mit-Erfinder und Sprecher für Energie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag kommentiert den stufenweisen Solarausstieg bis 2020:

Minister Rösler und Röttgen wollen stufenweisen Solarausstieg bis 2020

Auf die Solarenergie kommen sehr harte Zeiten zu. Die Minister Rösler und Röttgen haben heute einen gemeinsamen Vorschlag vorgestellt, wie der Ausbau der Solarenergie drastisch abgebremst werden soll. Der Solarausbau soll im Rahmen eines Korridors von zunächst 2,5 bis 3,5 Gigawatt quasi gedeckelt werden. Ab 2014 soll der Korridor jährlich um 400 Megawatt abgesenkt werden. Die Solarvergütung würde damit in den nächsten Jahren zum Auslaufmodell. Je günstiger die PV Anlagen werden, desto weniger soll zugebaut werden, selbst wenn die Stromerzeugungskosten unter die von neuen Kohlekraftwerken fallen. Die Absenkung erfolgt gemäß einem planwirtschaftlichen Modell, dessen Erfinder der FDP Parteivorsitzende Rösler ist.

[… – komplett auf  hans-josef-fell.de lesen]

Die vorgesehenen Absenkungen gehen weit über die beachtliche Kostenentwicklung der Photovoltaik hinaus. Die planwirtschaftliche Deckelung des Solarausbaus unabhängig von den Solarkosten zeigt auf, dass die Regierung kein Interesse an dem Ausbau der Erneuerbaren Energien hat. Hinter schönen Worten der Kanzlerin und des Bundesumweltministers Röttgen für Erneuerbare Energien steckt in Wirklichkeit eine knallharte Strategie zum Stoppen des erfolgreichen Ausbaus der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Solarbranche wird ausgebremst. Rösler liefert jetzt Insolvenzen.
Genau ein Jahr nach Fukushima wird im Bundestag ein Gesetz durchgepeitscht werden, das den Begriff Solarausstiegsgesetz verdient hat.


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