Am 19. Januar 2010 wurden geplante Instandhaltungsmaßnahmen im Kernkraftwerk Philippsburg Block 2 durchgeführt. Damals wurden Dreiwege-armaturen im Notspeisesystem in Richtung Notspeisebecken gestellt und elektrisch freigeschaltet, das heißt, sie konnten von der automatischen Steuerung der Anlage nicht mehr verstellt werden. Diese Freischaltung war am 22. Januar 2010 als unzulässig entdeckt und rückgängig gemacht worden.
Das Umweltministerium Baden-Württemberg hat von den unscharf geschalteten Dreiwegearmaturen am 18. Februar 2011 durch ein anonymes Schreiben erfahren. Auf Basis der damaligen Erkenntnisse und Analysen hat der Betreiber die Ereignisse als nicht meldepflichtig eingestuft. Das Umweltministerium hat den Sachverhalt ebenfalls als nicht meldepflichtig bewertet.
Zur weiteren Prüfung hat das Umweltministerium im November 2011 einen Gutachter beauftragt und Unterlagen vom Betreiber angefordert. Bei der Zusammenstellung der Unterlagen gibt der Betreiber an, am 13. März 2012 festgestellt zu haben, dass bei den damaligen Instandhaltungsmaßnahmen entgegen früherer Informationen alle vier Notspeisestränge betriebsbereit waren. Unter diesen Randbedingungen ist nicht gewährleistet, dass die Temperatur des Wassers in den Notspeisebecken über zehn Stunden hinweg ohne menschliche Schalthandlungen unter 30 °C bleibt.
Einstufung durch den Kraftwerksbetreiber: Meldekategorie E (Eilmeldung); INES-Einstufung 1(Störung).
Maßnahmen des Kraftwerksbetreibers: Die Dreiwegearmaturen wurden am
22. Januar 2010 durch Rücknahme der Freischaltung in den erforderlichen Zustand gebracht. Als bei der Sichtung der Unterlagen festgestellt wurde, dass die bisherigen Nachweise fehlerhaft waren, hat der Betreiber den Sachverhalt gemäß Meldeverordnung nachgemeldet.Sicherheitstechnische Bewertung der behördlichen Atomaufsicht: Bei seiner bisherigen Bewertung des Vorgangs ging der Betreiber irrtümlicherweise davon aus, dass nur drei Redundanzen der Notspeisestränge betriebsbereit waren. Im Zuge der Aufarbeitung von Unterlagen hat er nun festgestellt, dass alle vier Redundanzen bereit standen. Damit ist nicht gewährleistet, dass die Temperatur des Notspeisewassers unter 30 °C bleibt. Somit ist das Notstandssystem formal als ausgefallen zu werten und die sicherheitstechnische Anforderung der sogenannten 10-Stunden-Autarkie nicht erfüllt.
Der Anlagenzustand vom Januar 2010 hatte keine Auswirkungen auf Personen, Umwelt oder den Betrieb der Anlage. Das Ereignis ist als Störung zu bewerten, da das für äußerst seltene Ereignisse wie zum Beispiel Flugzeugabsturz vorgesehene Notstandssystem beeinträchtigt war. Die Abläufe der Planung und Durchführung sowie der Aufarbeitung der Vorgänge geben Hinweise auf Mängel in der Kommunikation, Qualitätssicherung, Fehlererkennung und Ursachenklärung, die vom Umweltministerium weiter aufgeklärt werden.
Quelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg