(Julius) Robert (von) Mayer war nicht der Erfinder des Strichcodes, auch wenn die heute veröffentlichte Briefmarke so ausschaut (Bildquelle: Deutsche Post).
Am Montag 3.11.14 startet offiziell die Gedenk-Briefmarke zum 200. Geburtstag von Robert Mayer. Leider ist die Marke nicht gelungen. Optisch wenig attraktiv, schlecht lesbar, der Zusammenhang zwischen Person, Schlagwort „Energieerhaltungssatz“ und der Messskala erschließt sich dem Betrachter nicht. Geht es da etwa um den Erfinder des Strichcodes? Oder wird der Jahrestag der Fahrenheit-Skala begangen? Weder, noch. Allerdings bekommt die Fahrenheit-Skala am selben Tag eine eigene Marke. Die beiden Marken mit ihren austauschbaren Motiven haben noch etwas gemeinsam: Ab 1.1.15 braucht sie niemand mehr, dann gelten neue Porto-Sätze.
Die 60 Cent-Fahrenheit-Marke lässt sich immerhin mit einer Zusatz-Marke auf 62 Cent ausbauen, aber die 90 Cent-Mayer-Marke auf einen 85-Cent-Brief kleben, das werden nur echte Liebhaber tun. Welche Ironie: da hatte man sich extra ins Zeug gelegt und Beziehungen spielen lassen, dass die Marke den Wert von 90 statt wie geplant 145 Cent bekommt. Und ausgerechnet nur die 145 Cent-Marken wird man auch 2015 noch benötigen.
Allerdings: Wenn so Vieles schief läuft, dann passt es vielleicht doch zu Julius Robert von Mayer und seinem Leben voller Umwege, Schicksalsschläge und Widerstände.
Während des Jubiliäumsjahren war oft der leise Vorwurf an Mayer zu hören, er habe die Widerstände gegen seine Entdeckungen selbst verschuldet durch den ungenügenden Gebrauch der physikalischen Fachsprache. Das ist überheblich und ist rückblickend leicht zu sagen. Wie ist es heute? Eigentlich sind die Begriffe „Kraft“, „Energie/Arbeit“, „Leistung“ längst gut definiert und etabliert, trotzdem werden sie oft verwechselt. Aber immerhin haben wir diese Begriffe. Und wenn wir von Energie sprechen, dann gehen wir stillschweigend davon aus, dass sie in all ihren Formen eine Konstante ist, dass sie ein festes Maß hat, dass sie bei allen Umwandlungen erhalten bleibt. Ohne diese Annahme funktioniert der Begriff einfach nicht. Umgekehrt funktioniert die Vorstellung einer konstanten Größe „Energie“ erst dann, wenn man schon eine Vorstellung von diesem abstrakten Begriff hat.
Die besondere Leistung von Robert Mayer war also tatsächlich eine doppelte: zugleich den Begriff und die Vorstellung von dessen Eigenschaften zu entwickeln.
Sinnvollerweise tat er dies durch die Formulierung von Analogien. „Wärmeäquivalent“ ist dabei zunächst hilfreicher als ein ganz abstrakter Begriff, der erst mit Inhalt gefüllt werden muss, damit er sich in unserer Vorstellungswelt verankern kann.
Ich finde es wunderbar, dass Robert Mayer diese geniale gedankliche Leistung gelungen ist.
nil fit ex nihilo – nil fit ad nihilum (Nichts wird aus Nichts – Nichts wird zu Nichts)
Ich glaube, dass im Jubiläumsjahr auch andere Perlen in Robert Mayers Werk zu wenig beachtet wurden. Sowohl seine medizinischen Entwicklungen, besonders das Kreislauf-Modell, als auch welche Auswirkungen sein Paradigmenwechsel in der Betrachtung von Naturvorgängen auf heutige Konzepte hat. Das hat mich zu nebenstehendem Briefmarken-Entwurf motiviert.
Wir können gerade Robert Mayer als einen Pionier des Nachhaltigkeitsgedankens sehen. Seine These „Nichts wird aus Nichts – Nichts wird zu Nichts“ bereitete nicht nur den Boden für ein modernes Verständnis der Energie, sondern ist auch eine elementare Voraussetzung für nachhaltiges Denken und Handeln. „Der Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose“ und „Wer Ware produziert, wird Müll ernten“ könnten heutige Formulierungen des Mayer’schen Erhaltungssatzes sein.
Es wäre interessant zu erfahren, was seine heutigen Ãœberlegungen z.B. zur Verschwendung von 2/3 der in Kohle- und Atomkraftwerken gewonnenen Wärme-Energie wären, oder zum Raubbau an der fossil gebundenen, aus dem Sonnelicht stammenden chemischen Energie: jede Tonne Kohle, die heute verbrannt wird, steht unseren Nachfahren nicht mehr zur Verfügung. Unsere Kohleverbrennung wandelt den Rohstoff „Kohlenstoff“ in einen Problemstoff „CO2“ um. Nichts wird aus Nichts – Nichts wird zu Nichts. Das heißt auch: systemisch denken, in Kreisläufen denken, das Ganze betrachten.
Mayer betrachtete die Veränderung, und betrachtete, was bleibt. Also das Wandeln und das Erhalten. Ich habe deshalb diese Begriffe in meinen Briefmarken-Entwurf gesetzt, sowie die beiden Themen „Energie“ und „Kreislauf“ genannt, die Mayer besonders beschäftigten. Im Bild dargestellt einerseits die von Robert Mayer entwickelte Modell-Maschine, mit der er die Blutdruckverhältnisse während eines Herzschlag-Zyklusses im Vergleich zwischen Druck in der linken Herzkammer und Druck in der Hauptschlagader abbildete und und als Sonderfall die Situation bei unvollständig schließender Klappe (Aortenklappeninsuffizienz), und andererseits der Kontrast zwischen Sonnen-Energie und Kohleverbrennung am Beispiel der Heilbronner Kraftwerkskamine vor der Morgensonne.
Mayers Modell-Maschine des Blutkreislaufes steht im Heilbronner Stadtarchiv. Dass sie aus heutiger Sicht einen Fehler hat, nämlich durch zu dicke Rohre dem Blut vermutlich zu wenig Widerstand bietet, wodurch auch die so genannte Windkesselfunktion ins Leere geht, schmälert seine Leistung nicht.
Hier eine größere Abbildung meines Briefmarken-Entwurfes, und darunter separat meine beschriftete Skizze des Kreislaufmodells.
(Die als Manometer dienenden Glasröhren waren vermutlich teilweise mit Quecksilber gefüllt)
Bildrechte Briefmarken-Entwurf, Foto Kohlekraftwerk und Schemazeichung Kreislauf-Modell: F.W.