Diese Woche war ich auf der WiwilÃ-Brücke. Die steht in Freiburg und führt über den Bahnhof, den Busbahnhof und eine Straße (linke Brücke auf dem Foto). Eine breite Brücke, reserviert für Fußgänger/inn/en, Radler/inn/en, Rollertreter/inn/en, Rollatorpilot/inn/en usw., in allen Varianten, mit Rollstuhl, mit Tandem, mit Kinderwagen, Fahrradanhänger und anderem.
Zufällig geriet ich in die Feier zum 2,5 Millionsten Radler für dieses Jahr. Zweieinhalb Millionen von Januar bis November! Das sind durchschnittlich knapp 9000 pro Juli-Tag und immerhin halb so viele pro Dezember-Tag. Dieser ganze Verkehr läuft flüssig, ohne Absteigen, ohne Treppe, ohne Aufzug, mit gut bewältigbarer Steigung auf den Zu- und Abfahrtsrampen (Treppen gibt es zusätzlich, für die, die steil nach oben wollen 😉 )
Was wäre, wenn diese Radler/inn/en alle stattdessen mit Autos fahren würden?
Bahngleise und Straße zerschneiden die Stadt, die WiwilÃ-Brücke verbindet sie wieder, das gleiche schafft zusätzlich auch die direkt benachbarte Stadtbahnbrücke (rechte Brücke auf dem Foto oben), diese bietet freie Bahn für die Tram und auch wieder für Fußgänger/inn/en. Nur Autos müssen Umwege fahren – Umkehrung der üblichen Rangfolge mit Abkürzung für motorgetriebene Menschen und Umwegen für wirklich auto-mobile Menschen.
Bei der Anreise nach Freiburg fuhr ich gemächlich von Heilbronn mit der („Eil-„)Straßenbahn über Land nach Karlsruhe, um dann in kaum mehr als der halben Zeit mit dem ICE weiter nach Freiburg zu sausen. Dort angekommen, ging es direkt per Aufzug (alternativ per Treppe) nach oben auf die Stadtbahnbrücke, und von dort ohne Stufen geradewegs in die Innenstadt.
Die Stadtbahnbrücke ist also zugleich Verbindung und Querung der Bahnsteige einschließlich des Busbahnhofs, ist direkter Zugang sowohl zu den östlichen als auch den westlichen Stadtteilen, trägt mehrere Straßenbahnlinien einschließlich einer Haltestelle direkt über den Bahngleisen, bietet eine fußläufige Verbindung zwischen Innenstadt und Stadtteil Stühlinger, und sie hat einen direkten Zugang in das Obergeschoss der „Radstation“ mit Fahrrad-Parkhaus, Radverleih, Mobilitätsberatung und ähnlichen Angeboten.
Neulich in Kiel kam ich in einem praktischen Kopfbahnhof an, ebenfalls mit angeschlossener Mobilitätszentrale („Der Umsteiger„) und Fahrrad-Parkhaus.
Schlaue Städte, große wie kleine, nutzen die Unter- oder Überführungen der Bahnhofsgleise zugleich zur Verbindung der auf beiden Seiten der Bahn liegenden Stadtteile. Einige Beispiele aus eigener Anschauung: Mainz, Darmstadt, Ludwigsburg, Heppenheim, Neckargerach, Mannheim, Heidelberg. Manche bieten barrierefreie technikunabhängige Wege, andere brauchen Treppen und Aufzüge. Manche mussten sich mit alten Gegebenheiten arrangieren, andere haben neu gebaut. Sicher gibt es viele weitere Beispiele.
Absurd ist die Situation in Heilbronn:
es wird einerseits viel Geld in die Hand genommen für eine völlig neue Brücke, auf der Nordwest-Seite des Bahnhofs kann man sogar völlig neu planen mit viel Platz, und auf der Südost-Seite gibt es trotz bestehender Bebauung ebenfalls keine Platznot. Benötigt wird die Brücke für einen dreifachen Zweck: Anbindung des künftigen Stadtteils Neckarbogen an die Innenstadt, Zugang vom Bahnhof zur kommenden Bundesgartenschau 2019, Erschließung eines neuen Zugangs per Rad zu Bahn, Bus und Stadtbahn für mehrere Stadtteile und Nachbarorte nördlich der Bahnstrecke [Update 11.12.14: derzeit wird diskutiert, die „ABX-Halle“ zwischen Hbf und Neckarbogen, gleich neben dem nördlichen Ende der Brücken, langfristig als Veranstaltungshalle zu erhalten und auszubauen – sie wäre durch die Brücke gut an die Innenstadt angebunden].
Leider werden andererseits laut beschlossener Planung dieses als Fuß- und Radwegebrücke bezeichneten Bauwerks gleich mehrere grobe Dummheiten begangen (die Namensgebung „Radwegebrücke“ dürfte allein in den angestrebten Zuschüssen begründet liegen):
1. soll die Brücke keinen direkten Zugang zu den Bahnsteigen, die sie überquert, bekommen.
2. Es soll an beiden Enden nur Treppen und Aufzüge geben. Alle Passanten, die zu Fuß oder mit einem Gefährt oder Hilfsmittel zwar eine Rampe, aber keine Treppe bewältigen können, werden auf die Aufzüge verwiesen, mit allen deren Nachteilen und Grenzen (geringe Kapazität, Komfortmängel, Unzuverlässigkeit – seit Tagen ist z.B. der Aufzug im Heilbronner Hbf zur Unterführung defekt, s. Foto).
3. Gleichzeitig ließ sich die Stadt von der Bahn nötigen, viel eigenes Geld für eine optisch attraktivere Gestaltung der bestehenden Unterführung zuzuschießen (bei gleichzeitigem Infrastruktur-Rückbau).
Es ist zum Haare raufen!
Da will Heilbronn einen neuen Stadtteil bauen mit dem Anspruch bezüglich Städtebau, Energie und Mobilität innovativ zu sein, und fällt weiter hinter das zurück, was andere Städte seit Jahrzehnten vormachen.
Gerade der Wunsch nach Tiefgaragen zeigt, dass doch ein Mobilitätsbedürfnis gesehen wird, allerdings mit der Scheinlösung des Autos. Wer sich im Neckarbogen ins Auto setzt, der wird sicher nicht gerade 1000 m weit in die Innenstadt fahren und dort einen Parkplatz suchen, der fährt gleich woanders hin. Also wird eine Autofixierung funktionell den Abstand des Neckarbogens von der Innenstadt vergrößern (wo jetzt Rosinenpicker wie Kruck&Partner mit ihrem lackierten Betonklotz auch noch die Radfahrer verbannen wollen).
Liebe Gemeinderäte, wacht auf! Die Tiefgaragen, die Ihr jetzt plötzlich wieder unter den Neckarbogen bauen wollt, die sind von gestern. Traut Euch zu neuer Mobilität. Nutzt die Brücke über den Bahnhof, um den Neckarbogen wirklich an die Innenstadt und an den Bahnhof anzubinden, nicht nur als Atrappe. Bindet damit die Stadt und den Bahnhof auch an die Radwege nach Norden an. Und überlegt bitte, eine Straßenbahn über Europaplatz und Bleichinselbrücke in den Neckarbogen zu führen, so wie es Freiburg zentral mit jedem neuen Stadtteil macht, mit einen verlässlichen Takt von unter 10 Minuten. Das muss keine teure 2-System-Stadtbahn sein, eine 1-System-Straßenbahn tut es auch.
Aber lasst die Tiefgaragen weg.
PS:
Kompromissvorschlag: Wenn schon Tiefgaragen, dann aber ohne Ein- und Ausfahrrampen für die Autos, sondern nur mit einem einzigen, langsamen und regelmäßig kaputten Aufzug als einzige Möglichkeit, sein Auto in oder aus der Tiefgarage zu bekommen.
PPS:
Die Gemeinderatsdiskussion über die Tiefgaragen war so absurd, dass sich das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn zu einer Pressemitteilung entschloss (21.11.14), die sich eng an die Gemeinderats-Zitate der Heilbronner Stimme anlehnt:
„Aktionsbündnis Energiewende HN begrüßt Tiefgaragen im Neckarbogen.
Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn begrüßt die von CDU und SPD angeregten Tiefgaragen im BUGA-Gelände. Angesichts der laut aktuellen Presseberichten verdoppelten Atommüll-Menge sei es vorteilhaft, dass bereits 2019 zusätzlicher Lagerplatz in Heilbronn verfügbar sei, um die Fässer aus Neckarwestheim und Obrigheim unterzubringen, so die Umweltschützer in einer Mitteilung. Angesichts der geplanten Transporte von Castoren aus dem AKW Obrigheim vorbei am Neckarbogen ist es folgerichtig, die Transportwege zu verkürzen und direkt in die sogenannten Tiefgaragen einzulagern. Gefordert ist jetzt eine pragmatische und ideologiefreie Debatte. Statt am Standort Neckarwestheim per Zwangsmaßnahme ein weiteres Standortzwischenlager zu errichten, sollten im zukunftsfähigen Stadtteil Neckarbogen nachhaltige Nutzungskonzepte ermöglicht werden. Eine Diskussion zur Unzeit 2019 während der BUGA über die Entsorgung von Atommüll im Salzbergwerk Heilbronn müsse jetzt verhindert werden. Wer den Umfang der Nutzung festlegen und die Tiefgaragen fantasielos nur für Autos nutzen wolle, der drücke dem Gebiet einen Stempel auf, den es nie wieder loswerden wird.
Untergrund: Hinter dem BUGA-Gelände lagern bereits 2000 t schwach radioaktive Abfälle.“
(Copyright für alle Fotos: F.W.)
[…] Mit großer Mehrheit hat der Heilbronner Gemeinderat Anfang Juni 2014 dem Aufsichtsrat der Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH empfohlen, eine Fuß- und Radwegbrücke über den Hauptbahnhof zu bauen. Zugleich hat der Gemeinderat für das Vergabeverfahren eine Rangfolge der Ergebnisse eines einphasigen Ingenieurwettbewerbs festgelegt. Demnach rangiert der Entwurf von Peter und Lochner/Bogenrieder freie Architekten an erster Stelle (siehe Foto). Der VCD in der Region Hall-Heilbronn-Hohenlohe begrüßt es, dass nach langem Ringen die neue Brücke über die Gleise am Bahnhof kommen soll. Es ist für den VCD jedoch nicht verständlich, warum es von der Brücke (wie in anderen Städten auch) keine direkte Anbindung der darunter liegenden Bahnsteige geben soll. Da die Brücke ja bis zur Bundesgartenschau fertig sein soll, hätten BuGa-Besucher, die per Bahn anreisen, einen bequemen und direkten Zugang vom Bahnsteig aus zur BuGa. Ohne diese Anbindung müssen die Fahrgäste erst lange Umwege durch die Unterführung nehmen. Eine Anbindung der Bahnsteige hätte zudem den Vorteil, dass sich die Stadt nicht unnötigerweise an der Verschönerung der Unterführung im Bahnhof beteiligen müsste. Diese gehört der Deutschen Bahn (DB) und sollte auch von dieser in eigener Verantwortung gepflegt und instand gehalten werden. Schließlich verlangt die DB von allen Verkehrsunternehmen, die mit ihren Zügen im Bahnhof halten, ja entsprechende Nutzungsgebühren. Die Sanierung des Bahnhofes ist angesichts der Milliardengewinne der DB im Bereich Netz sicherlich keine kommunale Aufgabe. Weiter Infos rund um die Entwürfe für die BuGa-Brücke und Diskussionen zur Gestaltung rund um die Heilbronner Stadtbahn finden sich auch im Sammelthread Heilbronn: Verkehrsnetz im Deutschen Architektur Forum. Weitere Ideen zur Heilbronner Bahnhofsbrücke gibt es auch im Energiewende-Blog. […]