Kehrwoche? Was beim AKW-Abriss in Baden-Württemberg unter den Teppich gekehrt wird …

erstellt am: 10.03.2016 • von: Franz • Kategorie(n): AKW-Stillegung und Abriss, Informationskommission, KWO Obrigheim

Kehrwoche?

Was beim AKW-Abriss in Baden-Württemberg unter den Teppich gekehrt wird …

UntermTeppich

Müsst Ihr immer dagegen sein?

oder: Wen kümmert der Abriss von Atomanlagen?

(verfasst am 26.4.2015)

Rückbau von Atomkraftwerken, das klingt gut.

Klingt wie: es wird alles wieder gut, jetzt wird aufgeräumt, und nach dem Kehraus bleibt kein Krümel Atomsorgen mehr übrig. Endlich wird wieder grünes Gras wachsen.

Jahrzehntelang hat von Angst gesteuerte Verdrängung den Betrieb der AKWs überhaupt erst ermöglicht. Mit den Details wollte man sich lieber nicht befassen. Und jetzt führen fast hypnotische Schlagworte wie „Atomausstieg“, „Rückbau“, „Freimessen“ und „Grüne Wiese“ zu einem erleichterten Aufatmen und wieder zu einem Wegschauen. Doch die Realität des AKW-Abrisses ist ebenso schmutzig wie der Betrieb (und der läuft im Nachbar-AKW ohnehin noch weiter).

Nur wenige Atomkraftgegner haben sich intensiv mit den Problemen des Abrisses von Atomanlagen auseinandergesetzt. Die allgemeine Bevölkerung erst recht nicht. Und selbst bei den beruflich damit befassten Menschen bei Betreibern, Behörden, Gutachtern und gewerblichen Dienstleistern dürfte nur ein eingeschränkter Erfahrungsschatz bestehen, allen anders lautenden Beteuerungen zum Trotz. Zumindest kann man das vermuten angesichts des krampfhaft wirkenden Klammerns an den „Stilllegungsleitfaden“ des Bundesumweltministeriums und an die Atomverfahrensverordnung. Nur bei einem Thema strahlen die Augen: wenn vom „Zukunftsmarkt Rückbau“ die Rede ist. Vorreiter dabei sind die bundeseigenen „Energiewerke Nord“, z.B. in Karlsruhe groß im Geschäft und auch in Jülich und Obrigheim.

Das sind keine guten Voraussetzungen für eine breite gesellschaftliche Diskussion. Schnell taucht Abwehr auf und es heißt: „Erst wolltet Ihr das Abschalten der AKWs, und jetzt ist es Euch auch wieder nicht recht?“ Atomaufsicht und AKW-Betreiber dürfte das Desinteresse erfreuen.

Eigentlich nichts Neues

Der Abriss der beiden TRIGA-Reaktoren des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg ging an der Öffentlichkeit und der Antiatom-Bewegung völlig vorbei. Und die diversen Abrissprojekte des inzwischen umbenannten Kernforschungszentrums Karlsruhe laufen schon so lange und mit (nichtöffentlichen) Genehmigungsschritten in längst zweistelliger Anzahl, dass auch niemand mehr Notiz davon nimmt. Ohnehin kennt sich mit den dortigen Anlagen und deren abstrakten Namen kaum noch jemand aus.

Weitsicht?

2001 wurde die Strahlenschutzverordnung geändert. Nicht zufällig fast zeitgleich zum so genannten „Konsens“, den AKW-Betreibern noch einmal die gleiche Menge an Stromproduktion zu garantieren wie bis dahin erzeugt war. Mit Verweis auf einzelne Verbesserungen wurde die Kritik am seither wesentlich erleichterten „Freimessen/Freigeben“ abgewehrt. Offenbar war damals sowohl den Stromkonzernen als auch der rot-grünen Koalition klar geworden, dass ihnen ein sachgerechter Umgang mit dem Abrissmüll der AKWs sehr teuer geraten würde. Eine geschickte Erhöhung von Grenzwerten bewirkte eine drastische Verkleinerung der Atommüll-Menge. So weitblickend geschieht Politik immer nur dann, wenn man den Bürgern etwas Unangenehmes unterschieben möchte.

Praktische Anwendung des Strahlenzaubers

Wie praktisch, dass man diese amtliche Umwandlung weiterhin strahlenden Materials in juristisch nicht mehr strahlende „Wertstoffe“ auch schon während des AKW-Betriebs einsetzen kann. Aktuell bestehen für die AKWs in Philippsburg und Neckarwestheim fünf großzügige, zwischen 2004 und 2011 erteilte „Freigabe-Bescheide“, die z.B. so lauten: „Uneingeschränkte Freigabe für die Materialgruppen Metalle, Flüssigkeiten, Schüttgüter, Sonstige feste Stoffe, Bauschutt, Elektro(nik)teile, Anlagenteile sowie Mischungen aus den genannten Materialgruppen“.

Für die Karlsruher Anlagen sind es derzeit übrigens insgesamt 13 Freigabe-Bescheide (Wiederaufbereitungsanlage: 7, Kernforschungszentrum 4, Institut für Transurane: 2).

Teilweise ist die Freigabe beschränkt auf bestimmte Deponien oder Müllverbrennungsöfen, wenn das Material aus anderen Gründen nicht wiederverwertet werden soll. Aus Philippsburg gehen oder gingen z.B. Wäsche in die Verbrennung nach Mannheim, Gifte auf die Deponie Billigheim, problematische Metalle in das Salzbergwerk Heilbronn. Land Baden-Württemberg und Stadt Heilbronn verdienen als Besitzer der Salzwerke gut am unterirdischen Verstecken von Giftmüll. Insgesamt circa. 300.000 Tonnen an „freigemessenem“ Müll unter Heilbronn und Bad Friedrichshall (ein Drittel davon aus der Brennelementefabrik Hanau) sind sogar nur ein winziger Teil der dort eingelagerten Schadstoffe.

Testballon Obrigheim – ein schwarz-grünes Kontinuum

Die Atomverfahrensverordnung fordert eine Bekanntmachung des Genehmigungsverfahrens sehr unscharf nur im „amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind“. Dieser „Bereich“ wurde für Obrigheim sehr eng ausgelegt (später für Neckarwestheim ähnlich), noch nicht einmal das direkt angrenzende Verbreitungsgebiet der „Heilbronner Stimme“ wurde berücksichtigt. Es war wohl der Plan der CDU-Umweltministerin Gönner, die Bürger durch diese versteckte Bekanntmachung zum unerwarteten Zeitpunkt und ohne begleitende Öffentlichkeitsinformation zu überrumpeln. Der Plan ging auf: keine einzige Einwendung ging ein, somit brauchte auch nichts erörtert werden. Besonders brisant: man hatte eine Schachtelkonstruktion gebastelt, um die Bürger im weiteren Genehmigungsprozess komplett zu entmündigen: bei insgesamt geplanten 4 rechtlich unabhängigen Genehmigungsverfahren mit jeweils anderen Genehmigungsinhalten wurde die erste Genehmigung als umfassende Genehmigung deklariert, deren Gültigkeit erst endet, wenn die Inhalte der späteren Genehmigungen erledigt sind. Diese Inhalte werden in der ersten Genehmigung bereits oberflächlich behandelt, aber längst nicht in einer Tiefe, die den Bürgern eine ausreichende Prüfung ihrer Betroffenheit ermöglichen würde. Trotzdem erklärt man mit dieser Schachteltechnik die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Öffentlichkeitsbeteiligung im ersten Genehmigungsverfahren als ausreichend und abschließend für das Gesamtprojekt. Diese Gestaltung hebelt die Rechte der Bürger aus und ist auch angesichts des jahrzehntelangen Stilllegungs- und Abrissprozesses und seiner Nachwirkungen absurd.

Die inzwischen gestarteten Genehmigungsverfahren für Biblis A und B, Philippsburg 1, Neckarwestheim I, Brunsbüttel sowie Gundremmingen B und C folgen alle diesem Muster.

Grüner Umweltminister setzt den Ausschluss der Öffentlichkeit juristisch durch

Beim Regierungswechsel in Baden-Württemberg befand sich das Verfahren zur „2. Stilllegungs- und Abbau-Genehmigung“ (2. SAG) noch in einem frühen Stadium. Der jetzt grüne Umweltminister hätte sich noch für eine Öffentlichkeitsbeteiligung entscheiden können. Er lehnte diese Forderung der Bürgerinitiativen jedoch ab und setzte die restriktive Linie seiner Vorgängerin fort. Die von ihm behauptete Transparenz beschränkte sich auf Symbolaktionen ohne Rechtsanspruch und damit ohne Wert für die Bürger. Wenn „gut, das wir darübergeredet haben“ zum Platzhalter für echte Beteiligung wird, dann ist das nicht nur ein Placebo, sondern ein Aushöhlen der Bürgerrechte. Das Placebo bestand aus einem Vortrags- und Diskussionsnachmittag im AKW-PR-Zentrum und der Online-Beantwortung schriftlich eingereichter Fragen.gruenangemalteAKWs

Trotz erwartet geringer Erfolgschance und hohem finanziellen Risiko entschied sich die „Initiative AtomErbe Obrigheim“ deshalb zu einem wichtigen Schritt und klagte gegen die 2. SAG. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim urteilte im Oktober 2014, die Genehmigung verstoße nicht gegen geltendes Recht.

Das Bermudadreieck der Bürgerrechte

Im Interview mit der „Heilbronner Stimme“ (7.2.15) wird der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller wörtlich so zitiert: „Es gibt Genehmigungsverfahren, für die der Betreiber eine Vielzahl von Unterlagen vorlegen muss. Zum Beispiel Sicherheitsberichte oder Umweltverträglichkeitsstudien. Diese Dokumente werden von unabhängigen Gutachtern und der Atomaufsicht geprüft. Bürger können diese Unterlagen einsehen und Einsprüche formulieren. Bei einem Erörterungstermin nehmen die Behörden Stellung zu diesen Einwendungen. Am Ende dieses langen Prozesses steht die Genehmigung – und nur dann, wenn die Sicherheit voll gewährleistet ist.“ Abgesehen davon, dass die Unabhängigkeit der Gutachter in Atomverfahren fraglich ist, verwundert das Zitat an zwei Stellen: Die Bürger bekommen die „Vielzahl von Unterlagen“ nicht zu Gesicht, sondern nur vier zusammenfassende Texte, denen an vielen Punkten Belege und Details fehlen. Und die „Gewährleistung voller Sicherheit“ stellt die Realität auf den Kopf, wenn es tatsächlich um die planmäßige Freisetzung von Radioaktivität und das Inkaufnehmen von Risiken durch Unfälle und Angriffe geht, für die hohe Strahlendosen zulässig sind („Störfallplanungswert“ 50 mSv und „Eingreifrichtwert“ 100 mSv [Milli-Sievert]).

Wie kommt es zu dieser völlig gegensätzlichen Wahrnehmung von „Sicherheit“ beim für die Atom­aufsicht zuständigen grünen Umweltminister einerseits und bei den Atomkraftgegnern anderer­seits? Wie kommt es dazu, dass schon bei vielen atomrechtlichen Verfahren am Schluss Genehmigungen standen, in denen praktisch alle Einwendungen abgewiesen wurden?

Dies entsteht vor allem durch diese drei rechtlichen Konstruktionen, die jede für sich, aber vor allem in Kombination den Strahlenschutz aushebeln:

  1. Die Strahlengrenzwerte.
  2. Das De-minimis-Konzept.
  3. Das Recht auf Genehmigung, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind.

achtungradioaktivad 1.: Es ist eine biologische Tatsache, dass es keine untere Dosisgrenze für die Schädlichkeit radioaktiver Strahlung gibt, auch wenn Details der Dosis-Wirkung-Beziehung umstritten sind. Die Festlegung von Grenzwerten ist nur eine Art von Kostenoptimierung, suggeriert aber zugleich Unschädlichkeit unterhalb der vermeintlichen Schwelle. Noch schlimmer: jedes Genehmigungsverfahren und jedes Gericht entscheiden letztlich nur nach der Frage, ob Grenzwerte eingehalten werden oder nicht. Das Minimierungsprinzip im Strahlenschutz wird durch die Grenzwerte faktisch ausgehebelt, obwohl es offiziell auch unterhalb der Grenzwerte beachtet werden muss. Es taugt also nur als Floskel zur Beruhigung der Bürger, gibt diesen aber keine Schutzrechte. Besonders deutlich wird die Willkür bei der Festlegung von Grenzwerten bei den erlaubten Ableitungen von Radioaktivität über die Abluft und das Abwasser sowohl beim Betrieb der AKWs als auch bei der Demontage. Übrigens erzählt man den Bürgern vom „Minimierungsprinzip“, tatsächlich fordern die Strahlenschutzgrundsätze nur das schwächere „Optimierungsprinzip“, welches sich am Aufwand orientiert.

ad 2.: Das „De-minimis-Konzept“ ist schon per Definition das Gegenteil des Minimierungsprinzips. Es besagt, dass bestimmte Belastungen für die Bürger als belanglos angesehen werden dürfen, deshalb sind sie erlaubt und die Bürger haben keinerlei Rechtsschutz. Bei kleinen Strahlenbelastungen, die dem „De-minimis-Konzept“ zugeordnet werden, verlangt das Atomrecht auch gar keine Minimierungsanstrengungen mehr. Beim Abriss eines AKWs wird das „De-minimis-Konzept“ vor allem für die „Freigabe“ („Freimessen“) und die „Herausgabe“ als Rechtfertigung angewandt. Die oben schon erwähnte „Freigabe“ ist in der Strahlenschutzverordnung rechtlich definiert, wenn auch höchst umstritten. Danach darf Material völlig beliebig und ohne Nachbeobachtung in Umlauf gebracht werden, wenn es nur so viel strahlt, dass nach einem theoretischen Konzept kein Bürger mit mehr zusätzlicher Strahlen­belastung als ungefähr 10 bis 20 µSv (Mikro-Sievert) pro Jahr rechnen müsse. Dabei wird von einem zusätzlichen Krebsrisiko von 1 zu 1 Million pro Jahr bei 10 µSv/Jahr aus­ge­gangen, offiziell wird aber abgelehnt, dieses Risiko auf die Bevölkerung hochzurechnen.

Die „Herausgabe“ ist ein rechtlich nicht definiertes Konstrukt aus dem Stilllegungsleitfaden des Bundesumweltministeriums, wonach Material von außerhalb des Kontrollbereichs in den meisten Fällen per se als unbelastet gelten darf und noch nicht einmal das Freigabeverfahren durchlaufen muss.

betonKonkret am Beispiel des AKWs Neckarwestheim I: das gesamte Abbau- und Abrissmaterial inklusive auch noch stehen bleibender Gebäude soll laut Antrag zu 39% freigegeben werden (128.900 Tonnen) und zu 60% herausgegeben werden (199.600 Tonnen). Lediglich 1% (3.100 Tonnen) sollen als radioaktiv gelten und gesondert deponiert oder weiterverwendet werden. Die grüne hessische Umweltministerin Priska Hinz würde sich freigemessenen Beton aus dem AKW Biblis in ihrem Haus verbauen (Interview mit dem „Darmstädter Echo“, 21.11.2014). Ich möchte weder solchen Beton im Haus haben noch Metall aus dem AKW im Kochtopf. Da beruhigen auch nicht Vorträge des inzwischen zum Atomdienstleister gewandelten Öko-Instituts, in denen das „Freimessen“ so beurteilt wird: „Eine Gefahr für Leib und Leben vom Bauschutt ausgehend sah er nicht, da es nur ein kleines Risiko wäre“ (Rhein-Neckar-Zeitung vom 14.11.2013).

ad 3.: Es schützt vor Behördenwillkür, dass ein Antragsteller eine Genehmigung immer bekommen muss, wenn er die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt. Das ist in einem Rechtsstaat grundsätzlich zu begrüßen, birgt aber die Gefahr, dass die Rechte Dritter unter die Räder kommen. Im Atomrecht ist dies massiv der Fall, denn viele Regelungen sind alleine auf die Bedürfnisse der Betreiber abgestimmt, z.B. die Grenzwert-Regelungen, der Verzicht auf den Nachweis ausreichender Finanzkraft für den Abriss, der faktische Verzicht auf einen Entsorgungsnachweis für den Müll, die freie Entscheidung des Betreibers zwischen den Strategien „rascher Abriss“ und „Langzeitkonservierung“ (der offizielle Begriff „Sicherer Einschluss“ ist sachlich falsch), usw.

Genehmigungs-Umleitungen, Schleichwege und Sackgassen

Große Teile des Gesamtvorhabens „AKW-Abriss“ sind aus dem Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung ausgeklammert. Z.B. wird die heikle „Primärkreiskontamination“ (Neckarwestheim I) oder „Systemdekontamination“ (Philippsburg 1) schon vor dem Genehmigungsverfahren erledigt. Aus Sicht von Betreibern und Behörden ist diese „Nachbetriebsphase“ noch von der Betriebsgenehmigung gedeckt, aus Sicht der Kritiker findet sie im rechtsfreien Raum statt.

Die 38 kleinen Kühltürme von Neckarwestheim I wurden auch einfach so abgerissen und „entsorgt“, sie seien nie Teil der atomrechtlich genehmigten Anlage gewesen.

Vor allem aber gibt es mindestens noch folgende abgekoppelte Verfahren ohne Bürgerbeteiligung, z.T. bei unterschiedlichen Behörden, so dass den Bürgern wichtige Informationen, Beurteilungsmöglichkeiten und Mitsprachemöglichkeiten genommen sind (am Beispiel Neckarwestheim I): Baugenehmigungen für Zerlegefabrik, Abfalllager, Infrastrukturgebäude und neuen Kamin, Betriebsgenehmigungen für Zerlegefabrik und Abfalllager nach der Strahlenschutzverordnung, Transportgenehmigungen für Großkomponenten und deren Reste zwischen Philippsburg und Neckarwestheim, Wasserrechtliche Genehmigung für das Abwasser, Genehmigungen für Castorbefüllung, -Transport und -Lagerung, die Freigabebescheide,Wasserrechtliche Genehmigung zum Abpumpen des Grundwassers (Sonderfall Neckarwestheimer AKW-Gelände mit zu hohem Grundwasser).

Am problematischsten davon sind die Geheimverfahren für Zerlegefabrik, Abfalllager, Infrastrukturgebäude und neuen Kamin. Lediglich per Online-Bekanntmachungen, etwas versteckt auf der Homepage des Umweltministeriums, wurde im Januar 2015 mitgeteilt, die Vorprüfungen hätten ergeben, dass für diese Anlagen keine Umweltverträglichkeitsprüfungen nötig seien (und damit auch keine Öffentlichkeitsbeteiligung). Begründung ohne Belege: „Das Vorhaben kann nach Einschätzung der Genehmigungsbehörde […] auf Grund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären.“ Das ist eine bemerkenswerte Aussage über eine Anlage, die ungefähr so viel Radioaktivität mit dem Abwasser abgeben darf wie es vorher dem laufenden AKW erlaubt war. Da scheint die „Logik“ zu gelten: nur wenn es noch viel schlimmer wäre als das AKW, wäre es nachteilig für die Umwelt.

Im Vergleich mit Schleswig-Holstein steht hier Baden-Württemberg hinten an, auch wenn Minister Untersteller gerne verkündet, in keinem anderen Bundesland gehe die Transparenz so weit wie bei ihm: beim AKW Brunsbüttel ist die Zerlegefabrik im Genehmigungsverfahren enthalten, das Abfalllager hat eine separate Umweltverträglich­keits­prüfung und eigene Öffentlichkeitsbeteiligung, und es gibt eine eigene Umweltverträglichkeitsprüfung für den Abriss der Gebäude nach ihrer Freigabe. Alles das gibt es in Neckarwestheim und Philippsburg nicht.

Immerhin aber denkt der Umweltminister „darüber nach, zusammen mit anderen Bundesländern einen Vorstoß zu unternehmen, um die Bürgerbeteiligung ausweiten zu können“ (7.2.15).

Infokommissionen: Transparenz light

gruenrotradioaktivDie grün-rote baden-württembergische Regierung hat einen Slogan („Politik des Gehörtwerdens“) und eine „Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung“, Frau Erler. Diese erklärte am 31.3.15: „Ein großes Problem sei gewesen, dass Bürger, Medien und Politik lange nicht verstanden hätten, dass Menschen per Bürgerbeteiligung zwar gehört, aber nicht zwangsläufig auch erhört würden.“ Es hat aber vor allem Frau Erler nicht verstanden, dass Gesprächsrunden keinen Ersatz für Rechtsansprüche sein können. Und Minister Untersteller sollte nicht länger seine beiden „Informationskommissionen“ in Neckarwestheim und Philippsburg mit Bürgerbeteiligung verwechseln. Diese Kommissionen haben ein äußerst eingeschränktes Mandat, die vom Ministerium zusammengestellten Mitglieder sind überwiegend desinteressiert, Öffentlichkeit wird als lästig empfunden und ausgebremst, und es kamen noch nicht einmal Sondersitzungen während der Auslegungsfrist der Abriss-Unterlagen zustande.

Blick nach Hessen

Hessen hat es einfacher als Baden-Württemberg, sollte man meinen: kein laufendes AKW mehr, also auch keine besondere Risikosituation durch Abriss und Betrieb nebeneinander an einem Standort, und vor allem nicht die brisante Interessenskollision, gleichzeitig AKW-Besitzer und AKW-Aufsicht zu sein. Dennoch lief dort im Bibliser Abriss-Genehmigungsverfahren alles schief, was schief laufen kann: dürftige öffentliche Unterlagen, schlecht vorbereiteter und chaotisch geleiteter Erörterungstermin, Blockadehaltung der RWE bei Nachfragen. Der Vorbehalt der RWE, beide AKW-Blöcke ggf. wieder anfahren zu wollen, machte den Termin endgültig zur Farce. Bereits am ersten Tag wurde der Abbruch des Verfahrens gefordert, am zweiten Tag brachen alle Einzeleinwender, Verbände und Initiativen ihre Teilnahme ab: „Wir fordern den Abbruch des Genehmigungsverfahrens, vollständige, detaillierte Beschreibung des Vorhabens, Offenlegung aller Unterlagen und Durchführung einer neuen Öffentlichkeitsbeteiligung, die ihren Namen verdient“.

schwarzgelbradioaktivDavon unbeeindruckt setzte das Ministerium das Verfahren wie eine nicht stoppbare Maschine fort. Dabei wurde das Kernproblem sehr deutlich, wie es sich auch an den anderen Standorten darstellt: die vier laut Atom­verfahrens­verordnung offen zu legenden Unterlagen reichen bei Weitem nicht aus, um sich ein genügendes Bild der eigenen Betroffenheit zu machen. Die Antragsteller müssen zwar viele weitere Unterlagen einreichen, die aber nicht veröffentlicht werden. Qualität und Aussagekraft der öffentlichen Unterlagen sind ungenügend, aber die Kontrollmechanismen in den Umweltministerien, welche brauchbare Unterlagen sicherstellen sollten, versagen. Somit erfüllen die Unterlagen nur dem Namen nach die in der Verfahrensverordnung vorgesehene Funktion, aber nicht vom Inhalt her. Die Öffentlichkeitsbeteiligung verkommt zum Theater, der Rechtsanspruch der Bürger ist ausgehöhlt. Auch in Hessen wurde dann der hilflose Versuch unternommen, ein „Infoforum Biblis“ nach baden-württembergischem Muster als Beleg für angeblich doch vorhandene Transparenz darzustellen. Immerhin will das hessische Umweltministerium nun prüfen, ob es Teile von Unterlagen auf der Basis des Hessischen Umweltinformationsgesetzes proaktiv veröffentlichen könnte.

Blick nach Bayern: das Gundremminger ABC

Block Gundremmingen A hatte 1977 durch Kurzschlüsse und Fehlsteuerung einen Totalschaden mit Freisetzung von Radioaktivität. Seit 1983 wird er abgebaut, RWE schwärmt von der dabei gesammelten Erfahrung. Leider ist dazu öffentlich wenig bekannt, vor allem nicht, aus welchen Fehlern und Irrwegen diese Erfahrung stammt. Gerade angesichts der radioaktiven Überschwemmung des Reaktorgebäudes beim Totalschaden ist ein funktionierender Strahlenschutz beim Abriss schwer vorstellbar. Trotzdem wurden laut Wikipedia von 10.000 Tonnen Metallschrott 86% wiederverwertet. Im Bereich des Blocks A steht inzwischen auch eine Atommmüllfabrik („Technologiezentrum“) als „Serviceeinrichtung“ für die Blöcke B und C, sie darf radioaktive Abluft abgeben.

Am 11.12.2014 stellte RWE den „Antrag auf Abbau nicht mehr benötigter Anlagenteile in Block B“. Hinter dieser harmlos klingenden Formulierung steckt eine heiße Konstruktion: RWE hat die fatale, aber aus Betreibersicht bequeme Schachtelgestaltung der Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen perfektioniert und in diesen 1. SAG-Antrag für Block B (Stilllegungs- und Abbau-Genehmigung) gleich noch den Block C mit hinein gepackt! Insgesamt plant RWE für die Blöcke B (Abschaltung vorgesehen zum Jahreswechsel 2017/2018) und C (Abschaltung geplant zum Jahreswechsel 2021/2022) mit drei Genehmigungen: als einzige mit Öffentlichkeitsbeteiligung die im Dezember beantragte, dann eine ähnliche für Block C ohne Öffentlichkeitsbeteiligung, und schließlich eine gemeinsame für den restlichen Abbau und Freigabe von Block B und C, ebenfalls ohne Öffentlichkeitsbeteiligung. Lässt sich diese Schachteltechnik zur Verhinderung von Öffentlichkeitsbeteiligung noch weiter steigern?

EnBW: das Land als Atom-Bad-Bank

Seit Herr Mappus 2010 im Alleingang und verfassungswidrig knapp die Hälfte der EnBW-Aktien für das Land Baden-Württemberg gekauft hat (der Rest gehört bestimmten Landkreis- und Gemeinde-Verbänden), liegt ein dunkler Schatten über der Landespolitik. Nicht nur dass ein gerade abstürzender Konzern vom Staat aufgefangen wurde, nicht nur dass das Aktienrecht dem Land als Besitzer faktisch mehr Pflichten als Rechte gibt, sondern schon der Besitz an der EnBW hat einen enormen negativen Einfluss auf die Landespolitik. Leider wird dies überhaupt nicht diskutiert. Wer aber die früheren Ziele und Konzepte vor allem der Grünen betrachtet und ihre reale Politik (und Sprachregelungen) bezüglich Atomkraft, Energiewende, Stadtwerken/Rekommunalisierung usw., findet nur Brüche. Die unausgesprochene Maxime lautet nun: der EnBW geht es schlecht, also müssen wir alles vermeiden, was für die EnBW als Unternehmen weitere Nachteile hätte. Das geht von mutmaßlich vom Land anfangs mitgetragenen Tricks beim Stuttgarter Wasserpreis über kartellrechtliche Forderungen an die Kommunen zu Lasten von Stadtwerken bei der Stromnetzvergabe bis zur kompletten Aufgabe der Idee eines schnelleren Atomausstiegs. Und beim Thema AKW-Abriss entsteht der Eindruck, dass die Atomaufsicht sehr viel Verständnis für Billigstrategien der EnBW hat.

Besonders pikant: die EnBW klagt gegen ihren Besitzer, das Land Baden-Württemberg, wegen Schadensersatz für die AKW-Stilllegung.

Deponie oder „Endlager Mensch und Natur“? / „geshreddert und auf Feldwege gestreut…“

Freigabe zum Metallrecycling - Kochtopf - ich war ein Rohr im AKWCirca 1 bis 3 % des Abrissmaterials kommen trotz Freimessung/Freigabe nicht in freien Umlauf, sondern auf Bauschuttdeponien und unterliegen dort wenigstens noch einem Minimum einer Strahlenüberwachung. Für Obrigheim wird eine Masse von etwa 3.000 Tonnen genannt, für Neckarwestheim I finde ich in den Unterlagen keine entsprechende Angabe. Findet sich kein Deponiebetreiber, der das Material freiwillig gegen Geld annimmt (bei Obrigheim anfangs die Bauschuttdeponie in Sinsheim), dann soll der Standort-Landkreis diesen Müll annehmen und ggf. erst einmal eine Deponie hierfür ertüchtigen (bei Obrigheim die kreiseigene Deponie in Buchen). Werden solche Deponierungen bekannt, gibt es öffentlichen Protest, denn der konkrete Ort macht die Betroffenheit greifbarer. Ein typischer St.-Florians-Vorschlag aus Buchen ist, man möge den Müll doch auf alle Landkreise gleichmäßig verteilen. Leider gerät bei der Fokussierung auf konkrete Deponie-Standorte aus dem Blick, dass das noch viel größere Problem die unbeschränkte Freigabe und die Herausgabe sind, bei der Mensch und Natur als Deponie missbraucht werden. Die „Augsburger Allgemeine“ schrieb am 18.3.2011: „In Niederaichbach stand der erste Reaktor in Europa, den man komplett demontiert hat. Übrig blieben 75000 Tonnen Bauschutt, 2200 Tonnen Stahl und 1693 Tonnen radioaktive Abfälle. Der Beton wurde geschreddert und auf Feldwege gestreut, radioaktive Abfälle befinden sich im Endlager Morsleben.“

 

Was könnte besser laufen?

Echte Öffentlichkeitsbeteiligung und die wirksame Wahrnehmung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit werden strukturell durch die im Atomrecht gültigen Gesetze und Verordnungen verhindert, die auf die Interessen der Atomwirtschaft zugeschnitten sind. Änderungen in diesem Bereich würden starken Widerstand der Atomwirtschaft erwarten lassen, trotzdem sollten Baden-Württemberg und Hessen ihre vagen Ankündigungen zu solchen Initiativen auch wirklich anpacken.

Großen Einfluss auf die Praxis haben untergesetzliche Regelwerke wie z.B. die Stilllegungsleitfäden des Bundesumweltministeriums und der Entsorgungskommission, ebenfalls einflussreich sind die Stellungnahmen der Reaktorsicherheitskommission. Diese sollten sich leichter weiterentwickeln lassen als die Gesetze und Verordnungen. Leider war in den letzten Jahren die Entwicklungsrichtung falsch, z.B. wurde die Forderung nach Kernbrennstofffreiheit der Anlage vor Beginn des Abbaues erst vor wenigen Jahren fallen gelassen.

Von großer Bedeutung sind auch die Vorgaben der umstrittenen Internationalen Strahlenschutzkommission ICRP (aktuelle Empfehlungen von 2007) und die 2014 neu gefassten Euratom-Grundnormen des Strahlenschutzes, deren Umsetzung in deutsches Recht aktuell ansteht. Hier dürften, wie so oft, Umweltverbände und ehrenamtliche Bürgerinitiativen bei den Mitwirkungsmöglichkeiten gegenüber finanzstarken Interessensverbänden stark benachteiligt sein – wie ließe sich dieses Missverhältnis bessern?

Die baden-württembergische Atomaufsicht orientiert sich äußerst streng am Grundsatz, rechtlich wasserdicht zu handeln, um der Betreiberseite keine Chance für etwaige Schadensersatzforderungen oder sonstige juristische Schritte zu bieten. Das beruht vermutlich auf früheren Erfahrungen der beteiligten Personen, geht aber zulasten der Transparenz und der Rechte der Bürger. Letztlich wird der politische Spielraum einseitig der Rechtssicherheit untergeordnet. Hier erwarte ich mehr Mut und Gestaltungswillen. Dies gilt auch für das proaktive Informieren der Bürger über die laufenden Verfahren, über ihre Mitspracherechte und über die vorliegenden Unterlagen. Bisher zieht sich das Ministerium häufig zurück auf das gesetzlich gerade minimal Notwendige mit der Begründung, alles andere könne als Parteinahme ausgelegt werden.

Ich bin mir sicher, die Rechtslage ließe es zu, trotz der Schachtelkonstruktion der Genehmigungen für jede einzelne Genehmigung eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Und ebenso für die Zerlegefabriken und die zusätzlichen Abfalllager grundsätzlich Umweltverträglichkeitsprüfungen und Öffentlichkeitsbeteiligungen vorzusehen. Hier fordere ich das Land Baden-Württemberg auf, die sachlich ungerechtfertigten Bekanntmachungen vom 7. und 8. Januar 2015, gegen die es leider keine Rechtsmittel gibt, zurückzunehmen. Schleswig-Holstein hat mit Brunsbüttel vorgemacht, dass hier auch eine andere Rechtsauffassung möglich ist als in Baden-Württemberg.

Sowohl in Baden-Württemberg als auch in Hessen und in Schleswig-Holstein hat die Atomaufsicht versagt bei der Prüfung der Unterlagen vor deren Auslegung. Kurzbeschreibungen, Sicherheitsberichte und Umweltverträglichkeitsuntersuchungen der Betreiber sind ihr Papier nicht wert, enthalten mehr Floskeln und Wiederholungen als verwertbare Inhalte.

Nach Ende der Einwendungsfristen und noch vor den für Juni bzw. Juli 2015 angekündigten Erörterungsterminen hätten die Behörden in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein entscheiden können, dass die Betreiber substanzielle Unterlagen nachreichen müssen. Auch in Hessen könnte die Atomaufsicht immer noch die Notbremse ziehen, nachdem der Erörterungstermin die Unbrauchbarkeit der Unterlagen belegt hat.

Auf die rechtlich nicht definierte „Herausgabe“ muss unbedingt verzichtet werden, es müssen auch für diese Materialien mindestens die „Freigabe“-Regelungen angewandt werden. Aber auch die Kritik an der fehlenden Rechtmäßigkeit des Freigabe-Konzeptes ist derart fundiert dargelegt (u.a. durch BUND, intac GmbH und Strahlentelex), dass die Genehmigungsbehörden jederzeit ihre Freigabe-Bescheide zurückziehen und künftig auf jede „Freigabe“ verzichten könnten.

Das hätte zur Folge, dass ähnlich wie in Frankreich ein spezielles Deponiekonzept für den wenig strahlenden Abrissmüll entwickelt werden muss. Zunächst muss aber das gesamte Abrissmaterial am Standort bleiben und dauerhaft der Strahlenüberwachung unterliegen (in Neckarwestheim allerdings mit Anpassungen an die unverantwortliche geologische Situation am Standort).

Die beantragten Ableitungen von Radioaktivität aus den ganzen Putz- und Zerlegearbeiten in die Luft und das Flusswasser sind weder von der Sache her noch in ihrer Höhe gerechtfertigt. Sie sind an den Größenordnungen des für den AKW-Leistungsbetrieb Erlaubten orientiert und nur Ausdruck von Kosteneinsparung. Hier ist eine massive Absenkung um mehrere Zehnerpotenzen zu fordern, besser ein komplettes Verbot.

Auch die Beschäftigung mit den Problemen des AKW-Abrisses macht deutlich: jeder weitere Tag AKW-Betrieb richtet zusätzlichen Schaden an, die noch laufenden AKWs sind deshalb sofort abzuschalten.

Wenigstens grüne Umweltminister sollten nicht mehr von „Sicherheit“ bei AKW-Betrieb, AKW-Abriss und Atommüll sprechen. Sie haben sich leider komplett an den herrschenden „Neusprech“ adaptiert: „Atomkraft ist sicher. Wir würden abschalten, wenn Atomkraft nicht sicher wäre. Dass wir nicht abschalten, beweist, dass Atomkraft sicher ist“. Ich erwarte endlich ehrliche Begriffe und Formulierungen. Die „International Nuclear Risk Assessment Group INRAG“ formuliert: “… bedeutet Sicherheit nichts anderes als die Akzeptanz der verbleibenden Risiken. Jede Sicherheitsdebatte, in der die verbleibenden Risiken nicht diskutiert werden, ist damit substanzlos. Eine offene wissenschaftlich kritische Debatte über die Risiken der Kernenergie wird von den Verbänden der Atomwirtschaft, den internationalen Organisationen und der Mehrzahl der Atomaufsichtsbehörden jedoch weitgehend vermieden.“ In der Tat: Wir Bürger haben ein Recht darauf, dass von der Unsicherheit gesprochen wird, von den Risiken und Gefahren, von der freigesetzten Radioaktivität, und wir haben einen Anspruch darauf, dass sich die Verantwortlichen rechtfertigen, warum sie diese Gefahren und Belastungen in unserem Namen weiterhin dulden. Der Chef der baden-württembergischen Atomaufsicht hält bei der ersten „International Nuclear Risk Conference“ der INRAG (im April 2015 in Wien) ein Referat über Transparenz. Welche Erkenntnisse wird er aus Wien mitbringen?

Jochen Flasbarth (damals Umweltbundesamt), Johann-Dietrich Wörner (DLR) und Michael Sailer (Öko-Institut) schrieben 2012: „Bei Verfahren, bei denen eine Verwaltung gleichzeitig als Vorhabenträger und Zulassungsbehörde fungiert, z.B. bei Vorhaben auf kommunaler Ebene, sollte geprüft werden, ob Interessenkollisionen bestehen und wie diese zu lösen sind (z.B. durch die Verlagerung der Zuständigkeit für die Zulassung auf eine andere Behörde oder Verwaltungsebene).“

Das bedeutet für mich: Der erste Schritt ist, Interessenkollisionen wenigstens zu benennen und nicht zu negieren. Im zweiten Schritt sind Verfahren zu entwickeln, die Interessenskollisionen zu entschärfen. Beim Thema AKW-Abriss fallen besonders diese Interessenkollisionen ins Gewicht:

– Land Baden-Württemberg: 1. Mitbesitzer des AKW-Betreibers, Abriss-Antragstellers und Schadensersatzklägers EnBW (47,7% der im Markt befindlichen Anteile), 2. Atomaufsicht, 3. Mitbesitzer der lukrativen Untertage-Giftmülldeponie Heilbronn (45%), wo schon 300.000 Tonnen freigemessener Müll lagern.

– Bundesrepublik Deutschland: 1. Gesetz- und Verordnungsgeber, 2. Atomaufsicht, 3. Betreiber von Atommülllagern, 4. Besitzer der „Energiewerke Nord“, einem großen Spieler auf dem Markt für Abrissdienstleistungen bei Atomanlagen.

 

Der wichtigste Wunsch:

UAG AtomErbe Neckarwestheim Logomweltengagierte, aber letztlich alle Menschen mögen erkennen, dass neben den vielen anderen großen Problemen der Atomkraft auch der Abriss und der Verbleib des Abrissmaterials unsere Aufmerksamkeit brauchen. Denn Radioaktivität lässt sich nicht abschalten.

Die Arbeitsgemeinschaft AtomErbe Neckarwestheim hat deshalb als Leitspruch:
Wir denken über das Abschalten der AKWs hinaus.


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